Die Straße von Florenz nach Nordwesten windet sich in engen Schleifen hinauf zur Tenuta Villa Capezzana. Am besten erscheint man hier an einem milden Frühsommerabend, dann wirken die Farben auf und über den Hügeln wie ein ganzer Pastell-Farbkasten. Die Stimmung könnte nicht passender sein. Kaum ein anderer in der Toskana hat sich so intensiv um vornehm zurückhaltende, elegant strukturierte und vielschichtige Weine bemüht wie Conte Ugo Contini Bonascossi, der Besitzer von Capezzana.
Der Seniorchef – seine Kinder Vittorio und Beatrice führen heute die Geschäfte – ist denn auch ein Grandseigneur wie aus dem Bilderbuch. Mit Tweedsakko und Halstuch immer wie ein englischer Country-Gentleman gekleidet, lebt er vor, was es heißt, Stil zu haben.
Britannien ist ohnehin das gelobte Land für einen wie ihn, und es ist kein Zufall, dass das Gut um die Villa herum so malerisch wirkt wie manche kleinere schottische Whiskybrennerei, in der die Zeit stehengeblieben scheint.
Der Gegensatz von Capezzana zu modernen Weinfabriken der Neuen Welt könnte nicht größer sein. Typisch ist, dass die Contini-Bonascossi ihr Gut und dessen Weine nicht lautstark anpreisen: Die sollen – und können! – schließlich für sich selbst sprechen zu allen, die die Sprache guter Weine verstehen.
Das hat mit Weltfremdheit nichts zu tun: Conte Ugo Contini Bonascossi war einer der treibenden Kräfte hinter der Entscheidung, das Carmignano aus dem diffusen Gebiet Chianti Montalbano herauszulösen. 1974 war das. In dieser kleinsten toscanischen DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita) gibt es nur zehn Erzeuger.
Mengenwachstum hat Conte Ugo nie interessiert, ihm ging es um Verbesserungen der Qualität, und das machte man am besten, ohne laut darüber zu reden. Dabei richtete er das Programm des Weingutes einerseits an der Tradition aus. Der Carmignano ist ein hervoragend gemachter Sangiovese mit einem kleinen Anteil Cabernet, Ein Wein raffinierter Komplexität.
Andererseits öffnete sich Villa Capezzana dem modernen Trend zum Supertuscan – und das schon lange, bevor es ihn gab. Denn Conte Ugo ist seit früher Kindheit befreundet mit den Rothschilds vom Château Lafite in Pauillac und brachte schon sehr früh Cabernet-Stöcke und von seinen Besuchen mit nach Hause.
Er war es denn auch, der seinerzeit bei der Formulierung der Qualitätskriterien für die DOC Carmignano darauf bestand, dass neben Sangiovese immer auch ein kleiner Anteil an Cabernet in den Weinen enthalten sein muss. Manche Spötter – und auch manche Liebhaber von Capezzana – argwöhnten damals, dass der Tignanello eine erste Reaktion auf die damals neue DOC Carmignano war.
Tignanello war ein gutes Konzept und wurde verdientermaßen ein Erfolg. Aber darüber sollte nicht vergessen werden, dass die Weinmacher in der Tenuta Villa Capezzana seit langen Jahrzehnten Erfahrung mit den aus Frankreich importierten Rebsorten haben. Es ist deshalb keine Überraschung, dass der Spitzenwein des Gutes, die Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah im Verhältnis 70-20-10 mit Namen „Ghiaie della Furba“ – genannt nach den Kieselsteinen des Baches Furba, der den Weinberg so gut entwässert – regelmäßig zu den besten italienischen Weinen dieses Typs gehört.