Der Name dieses musterhaften Weinguts wirkt auf Anhieb kurios, weil er so gar nicht in die Toskana zu passen scheint. Er erklärt sich dadurch, dass einer der früheren Besitzer einst versuchte, hier Rinder einer Rasse aus dem Valtellina zu ziehen. Welch Vergeudung von Flächen, die für die Erzeugung erstklassiger Weine prädestiniert sind!
In den 60er Jahren hatte Giorgio Regni aus Florenz sich in die Weinberge der Fattoria, die wie ein kleines Amphitheater geformt sind, verliebt und damit begonnen, ordentliche Weine hier zu erzeugen. Aber wirklich gut wurden sie erst nach 1989. Damals nämlich hatte die Familie Fuchs aus Koblenz das Gut gekauft. Sie verpflichtete den jungen Christoph Schneider als Betriebsleiter, und zusammen mit Vittorio Fiore, einem der besten beratenden Freelance-Önologen, brachte er die Weinberge und die kleine Kellerei in einen mustergültigen Zustand.
Giorgio Regni, der das Besitztum erst zu einem feinen Weingut gemacht hatte, geriet dabei nicht in Vergessenheit: Die neuen Besitzer entschieden sich dafür, den Chianti Classico der Fattoria Valtellina unter seinem Namen herauszubringen, und dabei ist es bis heute beglieben.
Groß ist die Fattoria immer noch nicht, obwohl ein ehrgeiziges Programm zur Neupflanzung installiert wurde. Es ging dabei nicht darum, großen Weinunternehmen Konkurrenz zu machen, sondern nur um das Erreichen einer sinnvollen Betriebsgröße, bei der sich die Investitionen in die Kellertechnik rentieren können. Heute, nachdem Schneider die Stabführung 1996 an den Önologen Andreas Stössel übergeben hatte, verlassen nicht mehr als 40 000 Flaschen pro Jahr den hochmodernen Keller.
An der Philosophie hat sich durch die behutsame Vergrößerung nichts geändert. Stössels Team erntet nicht mehr als 30 Hektoliter pro Hektar, weit weniger, als die Vorschriften für den Chianti Classico erlauben. Auf diese Weise entsteht ein Wein, der tiefdunkel ist und einen unerhört hohen Fruchtextrakt hat, gepaart mit einem soliden Tanningerüst.
Sangiovese bildet den Schwerpunkt im Weinberg. Er liefert vorbildhaften Chianti Classico „Annata“ und „Riserva“. Drei Viertel Sangiovese, ein Viertel Cabernet Sauvignon: Das ist die Formel für den hoch erfolgreichen Supertuscan „Convivio“. Ausgestattet mit einem eleganten Etikett zeigt er sich als ebensolcher Wein, für den der lange Ausbau im Barrique ersichtlich wie maßgeschneidert passte. Die Menge ist, wie bei allen guten Dingen, begrenzt: Weniger als 7000 Flaschen sind pro Jahr verfügbar.
Noch weniger, nämlich bestenfalls ein Zehntel davon, erzeugt die Fattoria vom „Il Duca“, einem reinen Merlot. Er wird nur auf einem halben Hektar im Weinberg Montechioccioli angebaut, wo der Lehmanteil im Boden 40 Prozent beträgt. Stössel hält diese Bodenzusammensetzung für ideal, um die feine Aromabildung des Merlot zu fördern, der vielerorts in der Toskana zu einer gewissen Vulgarität neigt.
Ziel erreicht: Wer Il Duca im Glas hat, käme bei seiner Beschreibung zu allerletzt auf die Vokabel vulgär. Der Wein ist samtig, tiefgründig, extrem lang und verspricht eine lange Lagerfähigkeit. Zum Warten rät Andreas Stössel ausdrücklich: Jahrelanges Reifen in der Flasche bringt feinste Tertiäraromen zur Entfaltung.
Auch hier ist leider eine Warnung angebracht: Andreas Stössel hat mit seinem gesamten Team das Gut verlassen. 1999 war der letzte Jahrgang in gewohnter Qualität. Deshalb müssen die Fans der Fattoria Valtellina jetzt die letzten Flaschen nachkaufen oder zu anderen Erzeugern wechseln.