Es gibt nicht nur Toskana-Deutsche, sondern auch Toskana-Italiener. Wer das für einen Kalauer hält, muss sich bei einem Blick auf die Biographie von Giuseppe Castiglioni eines besseren belehren lassen. Der war Stahlunternehmer, stammte aus Mailand und hatte die meiste Zeit seines Lebens in Mexico verbracht. Auf einem Urlaub in seiner alten Heimat machte er einen Abstecher in die Toskana, und als er nach Greve kam, verliebte sich in ein altes Landgut mit vielen schönen alten Eichen.
Die übliche Geschichte, oft gehört in Deutschland, England, der Schweiz, aber es konnte eben auch Italienern passieren. Auch was zuerst folgte, entsprach dem Muster: Zunächst nur Ausbau zum edlen Wochenend-Domizil für die Familie, dann Hobby-Weinbau und schließlich Übergang zum Wein-Profi. Aber dann entschloss sich Castiglioni, die Sache eben doch anders zu machen als andere.
Zwar war er Freunden gegenüber ein großzügiger und gastfreundlicher Mann, aber Fremde wollte er auf seinem Besitz nicht sehen. Noch heute gibt es auf Querciabella keine organisierten Führungen oder gar, scheußliche Vorstellung, so etwas wie Agriturismo. Statt dessen beschloss Castiglioni, mit großen Summen einen ultramodernen Betrieb zu schaffen, mit dem er Ehre einlegen konnte. Schließlich hatte er bei seinen Business-Freunden in aller Welt, nach wie vor auch in Mexiko, einen Ruf als Gourmet und als Unternehmer zu verlieren.
Aber er schaffte nicht nur Edelstahl-Gärbehälter und viele Barriques an, für deren optimales Handling die Keller sorgsam geplant wurden. Ein Glücksgriff war vor allem die Verpflichtung von Guido de Santi, einem der besten Önologen Italiens. Der hatte für der Neuanlage von Weinbergen keinerlei Budgetgrenzen einzuhalten. Und deshalb war er in der Lage, Rebflächen anzulegen, auf denen Sangiovese, Cabernet Sauvignon, aber auch ein wenig Merlot und Syrah optimale Voraussetzungen finden.
Auch bei der Anschaffung von neuen Barriques jedes Jahr sind im keine Grenzen gezogen – er kann sich ganz allein danach richten, welche Behandlung für die Moste der unterschiedlichen Lagen und Rebsorten optimal ist. Und so war es auch keine zu große Überraschung, dass er es schaffte, einmal sogar mit einem ganz „normalen“ Chianti Classico drei Gläser im Gambero Rosso zu erringen, eine Auszeichnung, die meist nur modernen Blends mit internationalen Sorten vorbehalten ist.
Das deutet schon an, dass der Ehrgeiz der Macher von Querciabella unbegrenzt ist: Schon mit ihren niedrigsten Qualitäten wollen sie an die Spitze. Die Riserva ist regelmäßig ein Riese, und gleiches gilt für Palafreno und Camartina, zwei Cuvées von Sangiovese mit Merlot bzw. Cabernet Sauvignon.
Giuseppe Castiglioni starb 2003 in hohem Alter. Aber er hatte seinen Sohn Sebastiano schon in den 90er Jahren mit der Geschäftsführung betraut. Der folgt ihm getreulich nach, was die Philosophie des Weinmachens auf Querciabella angeht. Das Ziel Giuseppe Castiglionis war es, den besten Rotwein ganz Italiens zu erzeugen. Nach meinem Eindruck hat sich daran unter seinen Erben nichts verändert.
Vor allem vertraut Sebastiano Castiglioni nach wie vor auf den kreativen Input von Guido de Santi. Der dürfte die Garantie dafür bieten, dass Querciabella auch in Zukunft eine der Top-Adressen im Chianti Classico bleibt.